Stimmung in der Windbranche auf einem neuen Tief
- Martin Hartmann
- 11. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Donald Trumps Agenda gegen die Windkraft in den USA macht der Industrie zu schaffen. Auch in Deutschland bereiten aktuelle Antragszahlen und Debatten über einen langsameren Ausbau Sorge.Kathrin Witsch11.06.2025 - 16:30 Uhr
Düsseldorf. Obwohl noch nie so viele Windräder genehmigt wurden wie im vergangenen Jahr, ist die Stimmung in der deutschen Windkraftbranche auf einem Vierjahrestief. Vor allem mit Blick auf die Zukunft sind die Erwartungen aus Sicht der Industrie schlechter geworden. Das ist das Ergebnis des halbjährlichen Stimmungsbarometers Wetix für die Windindustrie vom Marktforschungsunternehmen Trendresearch und der Messe Windenergy in Hamburg.
Der Negativtrend ziehe sich durch „alle Regionen und Märkte“, sagt Windkraftexperte und Trendresearch-Chef Dirk Briese. Der wichtigste Grund für den bisher größten Stimmungsabfall im Wetix sei wohl die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, „wieder stärker auf fossile Energieträger zu setzen“.
Dabei war die Stimmung bei den Windunternehmen in Deutschland vor einem halben Jahr noch durchweg positiv, entgegen dem Trend in der restlichen Industrie. Das lag vor allem daran, dass Deutschland seit Kurzem europaweit die meisten Genehmigungen für neue Windräder erteilt.
Insgesamt hat sich die monatlich beantragte Leistung laut Daten des Windmonitors des gemeinnützigen Vereins Goal 100 hierzulande innerhalb von vier Jahren mehr als verdreifacht und erreichte 2024 einen neuen Rekordwert. Unternehmen berichten, dass viele Anlagen schon nach einem bis anderthalb Jahren die nötigen Genehmigungen erhalten.
Geht der Ausbau weiter wie bisher, könnte Deutschland das selbst gesteckte Ziel von 115 Gigawatt Windkraft bis 2030 sogar übertreffen, schreiben die Experten von Goal100 in ihrem aktuellen Windreport.
Windkraft: Schlechte Stimmung vor allem im US-Markt
In den ersten Monaten des laufenden Jahres sind allerdings weniger Windräder beantragt worden als im gleichen Zeitraum 2024.

Am schlechtesten ist die Stimmung der Branche wenig überraschend mit Blick auf den nordamerikanischen Markt. Hier gehen die Bewertungen der befragten Marktteilnehmer sogar deutlich in den negativen Bereich. Schon an seinem ersten Tag im Amt kündigte US-Präsident Donald Trump an, alle bestehenden Genehmigungen für Windparks auf hoher See zu überprüfen. Neue Projekte sind vorerst komplett gestoppt.
Windparks: In Europa steigen die Kosten zu stark
Aber auch in Europa läuft das Geschäft verhaltener als noch vor wenigen Monaten. Die Projekte sind zu teuer geworden. Lieferverzögerungen, Inflation und steigende Zinsen machen vor allem Windräder auf hoher See für viele Unternehmen zum Minusgeschäft. Orsted, der größte Offshore-Windparkbetreiber der Welt, verdiente im vergangenen Jahr schon kein Geld mehr, und auch Unternehmen wie Vattenfall wählen ihre Projekte angesichts der angespannten Marktlage deutlich vorsichtiger aus. Der schwedische Energiekonzern stoppte gar den Bau eines Projekts vor der britischen Küste. Die Kosten waren aus dem Ruder gelaufen.
Die Erwartungen der Befragten für den Ausblick auf dem Offshore-Markt in den nächsten zwei Jahren gehen dementsprechend deutlich nach unten – für alle Regionen. Aber auch für den Windausbau an Land ist die Stimmung schlecht.
Windenergie-Branche beobachtet Vorgehen der neuen Regierung
In Deutschland sorgen Debatten über einen „Realitätscheck“ der Energiewende und Forderungen nach einem langsameren Ausbau der Erneuerbaren für Verunsicherung unter Investoren. „Wir halten uns mit neuen Projekten gerade erst einmal zurück, weil wir nicht wissen, welche Folgen die Politik daraus zieht“, sagte eine Branchenvertreterin dem Handelsblatt.
„Der Erfolg der Energiewende bemisst sich nicht an der Anzahl der installierten Photovoltaikanlagen, sondern daran, wie wir die CO2-Emissionen zu vertretbaren Kosten reduzieren“, hatte die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche erst kürzlich im Interview mit dem Handelsblatt gesagt. Der Ausbau der Erneuerbaren müsse am Bedarf ausgerichtet und viel stärker an den Netzausbau gekoppelt werden, so die CDU-Politikerin.
„Es besteht eine neue Unsicherheit hinsichtlich der energiepolitischen Ziele der Regierung, aber es ist noch zu früh, um hier Schlussfolgerungen zu ziehen“, sagte ein Sprecher des Turbinenherstellers Nordex dem Handelsblatt. Der jüngst gewonnene Schwung beim Ausbau der Windenergie dürfe nicht wieder verloren gehen.
Das Windkraftunternehmen Enercon aus Ostfriesland ist sogar optimistisch. „Im Koalitionsvertrag steht vieles, was die Windbranche zwar herausfordern wird, aber in die richtige Richtung geht: Wir wollen und müssen mehr Verantwortung für Systemstabilität und Versorgungssicherheit übernehmen“, sagte ein Sprecher dem Handelsblatt.
Es findet sich aber auch viel Unterstützung für den Vorschlag der Ministerin. So zum Beispiel RWE-Chef Markus Krebber: Gemeinsam mit Eon-CEO Leonhard Birnbaum hatte der Manager vor der Bundestagswahl ein eigenes Strategiepapier zum Einsparpotenzial bei der Energiewende vorgelegt. Demnach ließen sich dreistellige Milliardenbeiträge vermeiden, wenn die Politik die Ausbauziele an den Stromverbrauch anpassen würde – der langsamer steigt als erwartet.
Aktuell geht die Bundesregierung von einem Verbrauch von 750 Terawattstunden bis 2030 aus. Da aber etwa weniger Elektroautos und Wärmepumpen verkauft wurden als vorausgesagt, könnte der Verbrauch 2030 deutlich geringer sein. Krebber forderte deswegen einen „Realismus-Check“ mit Blick auf die überlasteten Stromnetze.
Drei Jahre Verzögerung beim Windkraft-Ausbau
Tatsächlich geben auch die Wetix-Teilnehmer an, dass das Warten auf Netzanschlüsse den Ausbau schon jetzt verzögert. „Sowohl im On- als auch im Offshorebereich wird mit circa drei Jahren Verzögerung gerechnet“, sagt Briese. Vor allem bei der Windkraft auf See fordern Krebber und andere eine Absenkung des geplanten Ausbauziels.

Die 70 Gigawatt Offshore-Windkraft müssten auf etwa 50 Gigawatt angepasst werden, fordert der RWE-Chef. Aktuell sind einige Windparks in Deutschland sehr nah beieinander geplant. Betreiber warnen deswegen immer öfter vor sogenannten Verschattungseffekten, bei denen sich die Anlagen gegenseitig den Wind nehmen. Wenn man auf der gleichen Fläche weniger Gigawatt verteile, könnten die Turbinen effizient mehr Wind erzeugen, war auch das Ergebnis einer Analyse des Beratungsunternehmens Aurora Energy im Auftrag von Orsted.
Quelle: Handelsblatt vom 11.06.25 https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/windkraft-stimmung-in-der-branche-auf-einem-neuen-tief/100133457.html



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